Gendern: „Wer mich kennt, weiß, ich bin inklusiv“ reicht halt nicht.

Sie geht wieder um, die Gender-Debatte – zumindest in Blogging-Kreisen. Dabei wird Gendern als schlechtes Konzept tituliert, Befürworter*innen ein links-grünes Gedankengut unterstellt, aber das Wesentliche außer Acht gelassen.

Sprache lebt durch Veränderung und im Speziellen von Adaption. Das passiert nicht einfach so, sondern unterliegt durchaus Steuerungen. Diese gibt es schon lange und regulieren Sprachen, seit es sie gibt (Religion gegen Wissenschaft usw.). Auch heute gibt es eine Regulation der Sprache, siehe z.B. die französische Sprachpolitik, Rat der deutschen Rechtschreibung, div. Gesetze und Vorschriften zur geschlechterneutralen Sprache).

Eine diese Steuerung ist das Gendern. Nun kann man Angst haben, die „Sprache würde dadurch zerstört“ werden (was dann ja passiert, seit es Sprachen gibt), oder aber, wir werfen einen Blick auf das, was eigentlich erreicht werden soll: Die Inklusion aller Menschen.

Weltoffene, empathische Menschen mit Freund*innen aus unterschiedlichen Kluturkreisen und/oder mit unterschiedlichsten sexuellen Orientierungen und Ausprägungen, haben damit erfahrungsgemäß wenig Probleme.

Vielleicht weil die Angst des Unbekannten genommen wurde, vielleicht aber auch, weil Probleme vermittelt und verstanden werden konnten.

Jedenfalls steht die Frage nach der „Verschandelung“ der Sprache bei diesen Personengruppen weit im Hintergrund. Denn auch, wenn es so wäre, muss man sich vor Augen führen, was denn wichtiger ist: die Sprache, oder die Menschen?

Mensch ist wichtiger als Sprache

Die Sprache ist ein Werkzeug. Man benutzt sie zur Kommunikation, wie einen Kochtopf zum Kochen. Beides sollte sauber und ordentlich sein. Beides muss aber nicht schön sein.

Das Werkzeug Sprache dient der Verständigung. Diese kann wertschätzend, inklusiv, oder aber auch ausschließend bis hin zu beleidigend sein. Ganz, wie eine Person entscheidet, Sprache einzusetzen.

Es braucht eine Norm

Jede Sprache braucht aber eine Basis oder eine Norm. Sie ist Ausdruck der Gesellschaft, welche Form des Umgangs als üblich angesehen wird.

Da es sich um die Gesellschaft als Ganzes handelt, ist ein inklusiver Umgang unausweichlich.

Ideologie

Natürlich schwingt immer eine Ideologie mit, das betrifft beide Seiten. Natürlich wird das auch politisch gerne gewertet. Schlussendlich geht es aber darum, ob man die Vielfältigkeit der Menschheit akzeptiert und als solche respektiert, oder ein vor langer Zeit gemaltes Bild weiterhin aufrechterhalten möchte.

Ich bin definitiv für eine offene, inklusive Gesellschafft, in der niemand diskriminiert wird.

Beiträge, wie dieser von Oliver finde ich aus diesem Grund sehr beschämend. Wenn schon hervorgehoben werden muss, man sei nicht diskriminierend und im nächsten Satz zwei Geschlechter als „Das ist Biologie“ hinstellt, dann sollte das nochmal reflektiert bzw. neu recherchiert werden – denn es isr genau das, was Oliver nicht sein möchte: diskriminierend (zumal Fakten nicht bekannt sind, oder ignoriert werden).

Horst schreibt, dass „sich Menschen einen feuchten Dreck darum kümmern“. Das ist ja genau das Problem der heutigen Zeit. Viele schauen nur noch auf sich und Rücksicht auf andere brauchen wir nicht. Bis man sich dann selbst in einer diskriminierten Gruppe wiederfindet. Aber dann ist es zu spät. Vielleicht wäre es also an der Zeit, schon im Kleinen ein anderes Wertebild hochzuziehen, um für Verbesserung zu sorgen.

Fazit

Jeder Mensch muss für sich selbst entscheiden, wie das Leben gestaltet werden soll. Das betrifft natürlich auch das Gendern. Ich nutze es, weil mir die Menschen dahinter wichtig sind, ich nutze aber einige Wörter wie „menschys“ nicht, weil sie keinen Mehrwert bringen. Kategorisch dagegen zu sein, oder andere deswegen zu beschimpfen finde ich unnötig. Unnötig sind zudem auch fadenscheinige Argumente oder falsche Informationen. Es kann ja ohnehin jede Person frei entscheiden, wie sie das möchte (sofern es der gesetzliche Rahmen zulässt), da muss kein Blödsinn vorgeschoben werden. Zu behaupten, man lebe inklusiv, ohne das auch zu zeigen, sind leere Worthülsen.

Weitere Stimmen

Es gibt noch weitere Beiträge von anderen zum Thema. Hier einige Links:

Kommentare

11 Antworten zu „Gendern: „Wer mich kennt, weiß, ich bin inklusiv“ reicht halt nicht.“

  1. Avatar von Lorenzo

    Top-Blogbeitrag! 👍

    Und danke für die Verlinkung! 🙏

    1. Avatar von Norbert

      Vielen Dank, gerne 🙂

  2. Avatar von ClaudiaBerlin

    „Spraxhen“, „geschlechterneuzralen“ – angesichts des Tenors des Artikels hab ich erstmal gegrübelt, ob diese „z“ und „x“ auch schon eine Bedeutung haben… 🙂

    „Die Sprache ist ein Werkzeug. Man benutzt sie zur Kommunikation, wie einen Kochtopf zum Kochen. Beides sollte sauber und ordentlich sein. Beides muss aber nicht schön sein.“

    Das kommt auf den eigenen Anspruch an! Manchen ist es egal, anderen nicht. Zumindest im eigenen Blog wird mensch versuchen, dem jeweiligen Anspruch zu genügen.

    Ich verwende keine _, :, *, weil sie den Lesefluss stören. Und das tun sie, denn diese demonstrative Art zu gendern, führt bei vielen dazu, gedanklich kurz in die Genderdebatte abzuschweifen. Das möchte ich nicht, Konzentration ist heute sowiese Mangelware.

    Statt dessen nutze ich Umgehungen, die es ja haufenweise gibt.

    Barrierefrei ist das Gendern ebenfalls nicht:

    „Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Gendern durch Satz- und Sonderzeichen problematisch. Personen, die Texte vorlesen, gehen unterschiedlich mit diesen Zeichen um. Aus dem geschriebenen Wort Kommunikator*in wird in der gesprochenen Sprache wahlweise Kommunikator oder Kommunikatorin oder das Sonderzeichen wird mit vorgelesen, wobei diese Variante oft als störend für den Lesefluss empfunden wird.“

    ausführlich dazu: https://www.dbsv.org/gendern.html

    1. Avatar von Lorenzo

      Nun, Claudia, für diese betroffenen Menschen ist das Gendern mit einem Doppelpunkt, zum Beispiel „Blogger:innen”, zumindest nicht so problematisch. Das weiß ich aus sicherer Quelle.

      1. Avatar von Jennifer
        Jennifer

        Die Lage ist weniger eindeutig als in der Diskussion gerne impliziert wird.

        Unter den Betroffenen selbst (von der Trans-Seite her) gibt es auch genug, die das Gendern und die Pro-Argumentation eher als irgendwas zwischen albern, kontraproduktiv und verlogen betrachten.

    2. Avatar von Sabrina

      Menschen die Screenreader nutzen, die finden den : am besten, da dieser in den gängigsten und meisten Screenreadern nicht vorgelesen wird sondern eine sehr kurze Pause macht also: Student innen vorließt, so wie man es auch im Sprachgebrauch macht wenn man gendert. beim * hast du recht, dieser wird als „Stern“ vorgelesen, das selbe bei / = Bindestrich. Das ist sehr störend.

      Gender umgehen okay, aber ich bin mitlerweile so, dass ich mich nicht mehr beim maskulinum mit gemeint fühle. Ich bin nicht männlich also bin ich kein Blogger, bin kein Mitarbeiter und bin auch kein Demostrant. Ich bin Bloggerin und wenn ich über die Gruppe rede Schreib ich entweder Blogger und Bloggerinnen (den was neutrales gibt es da nicht wirklich) oder eben Blogger:in. Das ist nicht schwer einfach jeden mitzumeinen. Was neu ist ist zb Bloggy und irgendwie find ich das cool.

      Gendern einfach abzutun find ich in der heutigen zeit verkert. Wir frauen und auch andere Minderheiten werden immer noch systematisch unsichbar gemacht. Das geht einfach nicht.

      1. Avatar von Norbert

        Hallo Sabrina, vielen Dank für deine Anregung, das sind wertvolle Informationen, die mir so nicht bewusst waren. Ich werde also zukünftig wohl : verwenden. Viele Grüße, Norbert

  3. Avatar von Matthias
    Matthias

    > Eine diese Steuerung ist das Gendern. Nun kann man Angst haben, die „Sprache würde dadurch zerstört“ werden (was dann ja passiert, seit es Sprachen gibt), oder aber, wir werfen einen Blick auf das, was eigentlich erreicht werden soll: Die Inklusion aller Menschen.

    Ich muss dich enttäuschen. Von künstlicher Verhässlichung meiner Muttersprache fühle ich mich eher verärgert.

    Auf „Sichtbarkeit“, die so gerne als „Argument“ dient, lege ich wenig Wert und fände sie mittel- bis langfristig eher anstrengend und zur Erlangung von Inklusion finde ich das Gendern eher kontraproduktiv. Zumindest *mir* reicht es vollkommen, wenn mich die Leute beim „neuen“ Namen in meinem Perso nennen und mir das Gefühl geben, ein Mensch zu sein und nicht nur eine frühere Frau.

    > Viele schauen nur noch auf sich und Rücksicht auf andere brauchen wir nicht. Bis man sich dann selbst in einer diskriminierten Gruppe wiederfindet. Aber dann ist es zu spät. Vielleicht wäre es also an der Zeit, schon im Kleinen ein anderes Wertebild hochzuziehen, um für Verbesserung zu sorgen.

    Von „Rücksichtnahme“ spüre ich beim Thema Gendern wenig, wenn es um Nichtmuttersprachler, Menschen mit Leseschwäche Sehbehinderung oder geringerer Intelligenz geht. Das ist dann (um einen Kabarettisten zu zitieren) „erlaubte Diskriminierung“.

  4. Avatar von Julia

    Ich bin auch ehr für das Gendern.

  5. Avatar von Angela Carstensen

    Zum Thema „Verschandelung der Sprache“: Ich frage immer gerne, ob diese Menschen auch mit der gleichen Energie gegen den schleichenden Tod des Genitivs vorgehen oder Formulierungen wie

    „Ich habe nen Buch gelesen“
    „Diese Sache hat seinen Preis“
    oder „das Kommentar“

    Komischerweise ist es in diesen Fällen nicht ganz so schlimm, wenn die Sprache der Dichter und Denker sich aus meiner Sicht sehr unästhetisch ändert 😉

Likes

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

To respond on your own website, enter the URL of your response which should contain a link to this post’s permalink URL. Your response will then appear (possibly after moderation) on this page. Want to update or remove your response? Update or delete your post and re-enter your post’s URL again. (Find out more about Webmentions.)